kunstvollaltern und lebenskunstvollsterben

unterstützt Höhen und Tiefen kunstvollen Alterns mit Fantasie, Fotografie, Poesie, Clownerie

unerhört authobiografisch, intim

ur Erinnerung :



Fliegen wollt’ ich, jetzt heule ich mit den Wölfen…immer noch..
Veröffentlicht von hannascotti am 17. Oktober 2013



Wir haben viel stärkere Flügel, als wir glauben.

Wir wagen nur nicht, sie zu entfalten.

Wir wagen nicht, zu fliegen.


Luise Rinser
Sehr geehrte Damen und Herren

vom deutschen Schriftstellerverband

vom Literaturkontor

vom Senat für Kultur

von der „Schreibenden Zunft“,

der Kulturredaktionen der örtlichen Zeitungen




An Nietzsche


Eine alte Frau bin ich

Eine Bauersfrau -

halte Decartes für eine

exquisite Speisenfolge

denke in meiner Tonne

auf dem Marktplatz

an deinen Namen

buchstabieren

kann ich ihn nicht

in mir ist genügend

Chaos um einen

tanzenden Stern wie

dich zu gebären und

ich bleibe auch heiter über die

Gewissheit meines Todes

bis dahin brate ich

Eier

unsichtbar natürlich

eine Frau bin ich -



Fliegen wollte ich, spätestens als ich in Pension ging. Also flog ich mit Flugzeugen in die Welt, lernte sehen und hören, verliebte mich in den Gott der kleinen Dinge und lernte vieles über die Grundweisheiten und den Duft der Literatur, insbesondere der Lyrik.

Wunderbar.

Dann habe ich die Koordinaten der „Insel der Alten“ entdeckt. Dass das ein gravierender Fehler für meine persönliche Karriere war, schmecke ich erst nach und nach.

Meine Bitte um Mitgliedschaft im Verband junger Autoren wurde trotz meines Alters erhört. Als ich an der Schreibgruppe teilnehmen wollte, bekam ich folgende Antwort (sinngemäß und literarisch aufgepeppt): „Wir begrüßen Sie herzlich als neues Mitglied. Allerdings sind wir, sozusagen, eine geschlossene Gruppe von AkademikerInnen und Studenten.“ Da die Satzung das nicht vorsah, wurde nach meinem Protest schnell eine diplomatische Lösung gezimmert.

Auch im Literaturkontor bin ich ein dankbares Mitglied geworden, aber nicht förderungsfähig, weil ich es nie wichtig fand, mich den Kriterien eines Verlags unterzuordnen und ein „ordentliches“ Buch zu veröffentlichen. So schimmele ich dort vor mich hin.

Ich will niemanden langweilen und pointiere :

Auch der Verband deutscher Schriftsteller weist mich mit der Begründung zurück, keine Veröffentlichung nach ihren Regeln zu haben. Dabei gibt es die Möglichkeit, laut Satzung, geprüfte Ausnahmen zu machen. Jedoch hat trotz meiner Bitte niemand geprüft.

Mit all dem könnte ich ja vielleicht noch leben, aber, wenn ich nicht im Sinne der standardisierten, uralten Vorgaben veröffentlicht habe, bleiben mir auch viele Veranstaltungen und Wettbewerbe verschlossen.

Auch das wäre nachsichtig hinzunehmen, wenn da nicht mein Ehrgeiz wäre, aus der Schublade :

……….liebliche, alte Befindlichkeitsdichterin ohne fachliche Kenntnisse füllt ihre Altersleere. Das ist löblich, aber nicht professionell…..

herauszukommen.

Auch das könnte noch in meiner Großherzigkeit Platz haben, ist mein Verständnis für die kräfte – raubende Arbeit all dieser gestressten Mitarbeiter fast unendlich. (das ist keine Ironie!)

Jedoch, all das wäre mit einem, na ja, vielleicht einigen Mouseclicks zu lösen :

In 10 Minuten könnte sich jeder Verantwortliche ein eigenes Bild von mir und meinen Fähigkeiten machen.

Niemand tut das !! Auch email – Anhänge werden nicht gelesen.

Das Argument, zu viele Menschen stellen die gleichen Ansprüche, ist für mich zynisch.

Ich bin ein Mensch und wünsche mir zehn Minuten ungeteilte Aufmerksamkeit. Und dann mögen Sie urteilen und in Schubladen schieben.

Ich will nicht polemisch werden, aber nicht gesehen werden ist schnerzhaft. Unsere Gesellschaft übt sich eifrig in dieser Disziplin, auch Sie.

Ich bitte Sie um 10 Minuten ungeteilte Aufmerksamkeit, ist das vermessen ?

Hanna Scotti



Und jetzt wird’s leidenschaftlich authobiografisch und intim :


Diese Post verschickte ich an alle obengenannten Stellen, korrekturgelesen, geschützt in einer Folie, damit es nicht verknickt und in einen brandneuen Umschlag gesteckt.
Ich wartete...
wartete als realistische Erwachsene mit vernünftigem Hoffnungsschimmer..
wartete...

Und endlich, heute bekam ich einen wohlgefüllten großen Umschlag von VERDI....
sollte tatsächlich...
…....deutscher Schriftstellerverband ????

Ganz ruhig, ganz ruhig,,,

Etwas zittrig öffne ich den Umschlag.
Ein Zettel : Liebe Kolleginnen und Kollegen, anliegend übersenden wir Dir/Ihnen die aktuelle
WIR Ausgabe für Ältere in den Gewerkschaften in Bremen und Bremerhaven, Gruß, die Redaktion. Gleich drei Ausgaben für meine ältlichen Freundinnen.

Nun ja, ich war nie Gewerkschaftsmitglied.

Zwei Artikel – Überschriften fielen mir besonders ins Auge :

Ehre – Amt – Freiwilligkeit – Zwang
(Gedanken zu einem viel diskutierten Thema) und

5 Fragen an Caspar David Friedrich,
nein falsch,
an Richard David Precht
mit der Überschrift :
Die Philosophen haben die Welt wenigstens verschieden interpretiert – heute passen sie sich nur noch an.

Auf dem Foto trägt Herr Precht gewaschene, ordentlich geschnittene Haare. ( Für die ganz Klugen bei VERDI und dem angeschlossenen Verband deutscher Schriftsteller : Das ist Ironie!)

Nein, ich bin gerade nicht überlegen und souverän. Ja, ich springe gerade wie ein zorniger dreijähriger Zinshahn im Dreieck . Nein, man verschone mich mit Kopfstreicheleien und Beschwichtigungen und den Nachsichten gegenüber einer skurilen alten Frau.

In mir ist etwas bis auf den Grund zerbrochen.
Der Krug ist unwiderruflich entzwei.

Ich höre die gleich -gültige Stimme meiner Wahrheit :

Du bist die Sternennudel in der Hühnerdemenzsuppe der Alten, das verlorene Haar über der Denkerstirn diverser Lyriküsse, die gepearcte Hängebrust der Literatur, das Tinituspfeifen im Kommerzgetriebe um Worte, das Forunkel am Arm der Kritiker.
Ich jammere in Selbstmitleidenschaftlichkeiten ?
Vielleicht, es scheint mir jedoch, ich habe einmal zu oft in die Hände gespuckt.

Es gibt kein Licht am Ende meines Tunnels, kein seeliges Lächeln übergewichtiger Putten in meiner Kopfkathedrale, es gibt einfach Nichts.
Wie aber singe und dichte ich im Nichts?
Wer ist „ich“?
Diese Fragen werden sich selbst beantworten, das ist meine Zuversicht, oder auch nicht.